10. Juli 2023 - 7 Minuten
Der Begriff Mitarbeiterbindung beschreibt das Bestreben, Mitarbeitende mithilfe von Managementaktivitäten motiviert und loyal im Unternehmen zu halten. Über die Abwendung einer Kündigung hinaus, umfasst der Begriff auch die Bemühung des Arbeitgebenden, die Leistungsbereitschaft der Mitarbeitenden positiv zu beeinflussen. Mitarbeiterbindung zielt also nicht nur auf die Bindung an das gesamte Unternehmen, sondern auch an die Aufgaben, das Team und die Vorgesetzten ab.
Mitarbeiterbindung lässt sich in vier Bereiche unterteilen, die maßgeblich über das Verweilen der Belegschaft im Unternehmen entscheiden. Hierzu zählen die, in der Grafik dargestellten Bindungsformen: perspektivisch, emotional, normativ und rational. Die perspektivische Bindung fokussiert zukünftige, berufliche Möglichkeiten, die Beschäftigten von ihrem Arbeitgebenden in Aussicht gestellt werden. Sie umfassen Aufstiegs-, Weiterbildungs- und Mitwirkungsmöglichkeiten, sowie steigende Verantwortung und Lebensphasenmodelle. Emotionale Bindung an das Unternehmen, erfahren Mitarbeitende durch das Ausmaß an sinnstiftender Arbeit, Wertschätzung im Berufsalltag und die Qualität der Beziehungen zu Kollegen und dem oder der Vorgesetzten. Geschaffen wird diese durch z.B. Teambuildingmaßnahmen und gemeinsame Veranstaltungen. Der normative Bindungsbereich umfasst geteilte Werte und Ziele, gegenseitigen Mehrwert und klare Visionen für die Zukunft. Der rationale Aspekt, rückt die Vorteile, die ein Unternehmen bietet, in den Vordergrund. Beispiele hierfür sind die betriebliche Altersvorsorge, transparente Bonussysteme und angemessene Rahmenbedingungen wie z.B. flexible Arbeitszeitmodelle und eine adäquate Arbeitsmittelausstattung.
Mindestens zwei bis drei der vorgestellten Bereiche sollten gut erfüllt sein, um Mitarbeitende im Unternehmen zu halten. Ein besonderer Fokus auf die emotionale Bindung ist dabei ratsam. Warum? Sie ist die Bindungsform, die am meisten Wirkung zeigt und bedarf deshalb besonderer Beachtung (Maurer, 2020).
In der folgenden Grafik werden, basierend auf Daten von Nink 2018, die Auswirkungen von emotionaler Mitarbeiterbindung dargestellt.
Der Gallup Engagement Index Deutschland empfiehlt Unternehmen und Führungskräften einen verstärkten Fokus auf emotionale Bindung.
(Gallup, 2022)
Als Teil des Personalwesens sind Mitarbeiterbindungsmaßnahmen sowohl auf Beschäftigtenebene als auch Führungsebene unerlässlich. Einen Großteil unserer Lebenszeit verbringen wir Menschen in der Arbeit. Es liegt folglich im Interesse aller Beteiligten ein angenehmes Umfeld und Betriebsklima zu schaffen, in dem sich alle gerne aufhalten und unter gesundheitlich schonenden Bedingungen ihre Ziele verfolgen können. Mitarbeitende im Unternehmen zu halten, obwohl sie möglicherweise bei einem Konkurrenten auf dem Arbeitsmarkt gleiches oder sogar mehr Geld verdienen könnten, ist eines der Hauptziele von Arbeitgeber:innen. Die Zufriedenheit und damit Bindung soll erhöht werden, damit nicht über einen Jobwechsel nachgedacht wird. Warum? Mit der Abwanderung von Fachkräften verliert jedes Unternehmen automatisch an Wissen. Darüber hinaus sind Kündigungen, Rekrutierungsprozesse und Neueinstellungen mit Kosten und Zeitaufwand verbunden. Bei sinkenden Fluktuationskosten von 3% beträgt die Mindestersparnis 1 Millionen Euro pro 1.000 Mitarbeitenden (Wolf, 2020, S.203).
Im Schnitt liegen die Kosten bei 13.000 EUR bis 17.000 EUR je Stelle, die es neu zu besetzen gilt
(Deloitte, 2019)
Darüber hinaus verzeichnen Unternehmen mit einer hohen Mitarbeiterbindung eine Steigerung ihrer Umsatzrenditen um 3,74% und ihres Nettogewinns um mindestens 2% (Wolf, 2020, S.205). Grund hierfür ist der verstärkte Arbeitseinsatz Beschäftigter bei steigender Motivation. Eine gelungene Mitarbeiterbindung kann folglich als ein Einflussfaktor für Unternehmenserfolg bezeichnet werden. Viel Fluktuation innerhalb von Teams, durch wechselnde Mitarbeitende, stört Arbeitsprozesse und erschwert die Bildung eines guten Zusammenhalts. Zufriedenheit, Motivation und Identifikation mit dem Unternehmen, stärken die Bindung und halten Mitarbeitende an ihrer Arbeitsstelle. Intrinsisch und extrinsisch motivierte Mitarbeiter:innen zeigen darüber hinaus mehr Produktivität und Leistungsstärke im Arbeitsalltag. Intrinsische Motivation bezeichnet die “von innen kommende” Antriebskraft und umfasst Neugier (kognitiv), Anreiz (emotional) und Erfolgserwartung (Wahrscheinlichkeit). Extrinsische Motivation dahingegen meint die “von außen zugefügte” Antriebskraft durch positive Verstärkung (Belohnung) oder negative Verstärkung (Zwang) (Edelmann, 2003). Bei vielen Arbeitnehmer:innen ist intrinsische und extrinsische Motivation gegeben, jedoch können äußere Umstände eine demotivierende Wirkung haben. In dem Blogartikel “Nachhaltige Mitarbeitermotivation. Die Grundlagen, wie Mitarbeitende ihr Bestes geben” wird das Thema Motivation im Arbeitskontext ausführlich betrachtet.
Aktuelle Entwicklungen beeinflussen die Bedürfnisse von Arbeitnehmer:innen und sollten bei der Planung von Mitarbeiterbindungsmaßnahmen berücksichtigt werden. Beispielsweise wirken sich die zwei vergangenen Corona Jahre auf Beschäftigte und den deutschen Arbeitsmarkt aus: Neben dem steigenden Gesundheitsrisiko für Burn-Out durch Corona als oftmals erlebter Dauerstress, verändert sich auch der Arbeitsmarkt. Die Bereitschaft, über einen Jobwechsel nachzudenken, steigt und zieht einen Spitzenwert an jobsuchenden Beschäftigten nach sich. Möglicherweise folgt darauf eine Kündigungswelle. Durch den Fach- und Führungskräftemangel, verstärkt sich im Recruitingbereich der sogenannte “war for talents”, also der Kampf um Talente (Gallup, 2022).
In einer deutschen Studie wurden 900 Beschäftigte zur eigenen Übereinstimmung mit Unternehmenswerten befragt. Überwiegend pflichten Mitarbeitende den, von ihrem Unternehmen vertretenen Werten, bei. Dennoch lehnen dies viele Arbeitnehmer:innen ausdrücklich ab.
In der Umfrage stellten sich bei Beschäftigten Vertrauen, Wertschätzung und Offenheit als wichtigste Wertvorstellungen am Arbeitsplatz heraus.
Das 6-Säulen-Modell erfolgreicher Mitarbeiterbindung definiert entscheidende Bereiche, an denen Maßnahmen angesetzt werden können. In der folgenden Grafik sind diese Bereiche und mögliche Mitarbeiterbindungsmaßnahmen zusammengefasst (August 12 et al., 2021).
Bei der Maßnahmenbildung zum Erhalt von Beschäftigten im Unternehmen sollte eine selektive, individualisierte Mitarbeiterbindung (SELIMAP) stets im Hinterkopf verweilen. Im Idealzustand werden Maßnahmen nach jeweiligen Mitarbeiterbedürfnissen selektiert und flexibel angepasst.
Darüber hinaus spielt, wie bereits erläutert, die emotionale Bindungsform eine besonders große Rolle. Sensitivität ist die Basis und Grundvoraussetzung jeder Bindung. Das Thema Führung sollte also, aufgrund von alltäglichem, zwischenmenschlichen Kontakt innerhalb des Unternehmens und damit beeinflussbarer Emotionalität, besondere Beachtung finden. Der Kontakt zwischen Führungskraft und Beschäftigten beeinflusst die Motivation, Zufriedenheit und Arbeitsatmosphäre maßgeblich. Dieser Kontakt ist die entscheidende Schnittstelle, an der Maßnahmen z.B. durch gelebte Werte (Wertschätzung, Anerkennung, Umgang) sichtbar werden.
Die Stimmung in einem Unternehmen ist wichtiger als jedes Wissen oder Kapital!
Helmut Weyh
Aktuelle Statistiken resultieren aus einer Befragung von Arbeitnehmer:innen in Deutschland, Österreich und der Schweiz und zeigen die Eignung folgender Maßnahmen zur Bindung von Beschäftigten (Hays, 2021).
Beispielhafter Fahrplan zur gelungenen Mitarbeiterbindung:
Tipp: Pauschale Maßnahmen erreichen nur wenige Mitarbeitende und verursachen hohe Kosten. Passgenauigkeit ist effektiver!
Die Maßnahmenplanung und –umsetzung bringt einige Herausforderungen mit sich. Es ist daher lohnenswert, sich im Vorhinein mit diesen auseinander zu setzen:
Maßnahmen im Unternehmen kosten Geld und sollten gut durchdacht und nach Priorisierung umgesetzt werden. Es ist schwierig allen Beschäftigten gerecht zu werden, da Maßnahmen nie pauschal für alle passen. Für einen Teil der Belegschaft funktioniert die Aktion und für einen anderen Teil nicht. Arbeitgeber:innen stellt das vor die Herausforderung, auf vielseitige Interessen gleichzeitig einzugehen. Eine schrittweise Umsetzung von Maßnahmen und mit Geduld in den Prozess zu starten ist also ratsam.
Die anschließende Evaluation wird oft außer Acht gelassen, ist jedoch entscheidend für die Beobachtung von Resultaten. Nicht vergessen: Die meisten Maßnahmen brauchen Zeit, bis ein Ergebnis sichtbar wird. Mit angemessenem zeitlichen Abstand können beispielsweise anonyme Mitarbeiterumfragen durchgeführt werden, die eine Beurteilung des Ablaufs und der Ergebnisqualität erfragen. Äußere Umstände, die z.B. Frust bei Arbeitnehmer:innen hervorrufen, sind für Arbeitgeber:innen herausfordernd und schwer änderbar. Ein aktuelles Beispiel ist der Umgang mit Frustration, der durch das Einspringen in Pflegeberufen entstehen kann.
Darüber hinaus sind Beschäftigte, die innerlich bereits konkrete Kündigungsabsichten haben, schwer wieder ins Boot zu holen. In diesem Fall ist eine gute Konfliktlösung jedoch ratsam und durchaus möglich. Oft ist reine Kommunikation nach einer langen Anstellungszeit nicht mehr ausreichend. Das Resultat von Mitarbeiterbefragungen über Motivatoren zeigt oftmals eine Lohnerhöhung als Hauptwunsch. Lohnerhöhungen ermöglichen jedoch lediglich eine relativ kurze Motivationsphase.
Wenn eine langfristige Mitarbeiterbindung angestrebt wird, ist es ratsam, ein ausreichendes Angebot an Kommunikationsmöglichkeiten zu schaffen. In vielen Unternehmen stellt eine mangelnde Kommunikation die Ursache für das Scheitern von Umsetzungsprozessen wie z.B. Mitarbeiterbindungsmaßnahmen dar. Durch den Ausbau von Kommunikationsmöglichkeiten, können Sensibilität, Verständnis und Wertschätzung als wichtige Faktoren verstärkt in den Unternehmensalltag integriert werden. Besonders durch individuelle Kommunikation werden Beschäftigte jeden Alters angesprochen.
Ein weiterer essenzieller Aspekt ist die Feedback- und Kritikkultur innerhalb des Unternehmens, welche als feste Bestandteile den Arbeitsalltag offen gestalten.
Arbeitgeber:innen werden vor die Aufgabe gestellt, unterschiedlich bewegte Teammitglieder zusammenzubringen. Bei der Maßnahmenentwicklung stellt sich die Teamentwicklung zu Teilen als entscheidender heraus als die Bindung einzelner Mitarbeiter:innen an das Unternehmen und bedarf deshalb in manchen Fällen besonderer Beachtung.
Lebensbereiche unterliegen ständigem Wandel und ziehen dementsprechend eine Veränderung von Vorstellungen und Prioritäten nach sich. Unternehmen beweisen sich mit Flexibilität und Anpassungsfähigkeit an Gegebenheiten (Bedürfnisse/Anforderungen/Ansprüche), um sich auf dem Arbeitsmarkt zu behaupten.
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